Interview

Product Owner im Portrait: Petra Wille

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Nachdem diese Interviewserie letzte Woche mit hoher Resonanz gestartet ist, berichten wir heute über die Erfahrungen von Petra Wille. Petra arbeitet seit knapp drei Jahren in der Rolle als Product Ownerin und hat somit viele Erfahrungen in ihren Scrum Projekten sammeln können. Vielen ist Petra vor allem durch ihren privaten Blog www.augenpralinen.de bekannt, auf dem sie über allerlei Kreatives aus der Wohn- und Einrichtungswelt berichtet.

Steckbrief

  • Name: Petra Wille
  • Alter: 31
  • Angestellt als: Director Product Management
  • Product Owner Rolle seit: 2008
  • Berufserfahrung gesamt: 7 Jahre
  • Branche: Internet, Dienstleistung
  • Produkt Thema: Übersetzungs-Software

Was ist deines Erachtens das Schwierigste bei der Erfüllung der Product Owner Rolle?

Vor allem das hin und her zwischen den unterschiedlichen Detailgraden ist sehr schwierig. Zum Beispiel spricht man über die Produktstrategie der nächsten 12 Monate und fünf Minuten später will der Entwickler wissen, wo die Checkbox hin soll. Zudem ist ein schwieriger Teil der Aufgabe „Beweise“ für sein Bauchgefühl zu liefern. Beispielsweise entwickelt man mit der Zeit zwar ein Gespür dafür, was die Nutzer gut finden und was nicht. Es kann jedoch auch sein, dass Nutzerbefragungen überraschende Ergebnisse zu Tage fördern. Dasselbe gilt für Nutzungszahlen oder Businesskennzahlen. Als Product Owner muss man alles zu einem Gesamtbild zusammenführen.

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Fähigkeiten eines Product Owners?

Zum einen sollte man sich in seinen Kunden hineinversetzen können und dabei die Fähigkeit zur Abstraktion haben. Denn nicht aus dem Nutzer heraus entsteht die Innovation sondern in dem ich in meiner Rolle, die Bedürfnisse des Nutzers verstehe und weiß, was technisch machbar ist. Daher sollten Product Owner in meiner Branche Interesse am aktuellen Stand der Technik haben. Auch analytische Fähigkeiten schaden dabei nicht.

Welche Softskills sollten bei einem Product Owner besonders ausgeprägt sein?

Ein Product Owner muss Menschen mit auf eine Reise nehmen können. Er muss glaubhaft ein Bild der Zukunft zeichnen. Vor allem die Motivation des Teams ist davon stark abhängig.

Wie grenzt sich deine Arbeit von der des Scrum Masters ab?

Durch die unterschiedlichen Berührungspunkte mit dem Team. Während ich eher inhaltlich und nutzerzentriert arbeite, unterstützt der Scrum Master eher teamzentriert.

Wie organisierst du deine Arbeit, um die fortlaufende Erstellung von Backlog Items aufrecht erhalten zu können?

Eigentlich ist es kein Problem, wenn der Product Owner eine klare Produktidee hat und regelmäßig Input von den Nutzern einholt. Daraus ergeben sich zwangsläufig die nächsten Schritte. Dabei gilt es jedoch, rechtzeitig anzufangen. Denn wenn man ein größeres Feature plant und das mehrfach in die Nutzertests geben möchte, benötigt es eine Menge Zeit. Wichtig dabei ist es vor allem sich Zeit einzuplanen, um in Ruhe Backlog Items schreiben zu können.

Scrum stellt hohe Ansprüche an die Rolle des Product Owners. Sind diese deiner Meinung nach zu erfüllen bzw. wo liegen die Herausforderungen?

Die Grundregeln sind einfach und die meisten Entwickler arbeiten gerne agil und sind darin auch oft schon sehr versiert. Die komplexere Herausforderung ist es jedoch, agiles Vorgehen an Stakeholder und Management zu vermitteln.

Welche Unterstützung hilft dir am meisten bei der Erledigung deiner Aufgaben?

Auf das Scrum Team bezogen ist vor allem das Estimation Meeting mein wichtigster Input, da die Fragen und Antworten dort zeigen, ob Backlog Items schon fertig zur Implementierung sind. Außerdem kommen in Estimation Meetings häufig kreative Lösungsansätze aus dem Team zurück.

Um Product Owner zu werden, lassen sich viele zertifizieren. Ist es deiner Meinung nach damit getan? Was hat dir geholfen, die Rolle auszufüllen?

Die Zertifizierung finde ich nicht sinnvoll (ist ja nur ein knapper Fragebogen), dass Training dazu aber schon. Vor allem zu Beginn der Product Owner Laufbahn hilft es einem, auf die wichtigen Dinge zu achten. Erfahrung sammeln muss man allerdings in der Praxis. Und dabei lernt man schnell, dass die Kernregeln und -werte von Scrum nicht verhandelbar sind, wenn man die PS auf die Straße bringen möchte.

Du kennst die Praxis am Besten – Was sind die 3 schlimmsten Fehler, die man als Product Owner machen kann?

  • Unnötige Hektik verbreiten.
  • Aufgrund schlechter Vorbereitung seine Meinung beeinflussen zu lassen und dann Prioritäten zu ändern.
  • Stakeholder nicht rechtzeitig abzuholen und Ihnen, Endkunden eingeschlossen, nicht zuhören.

Kann aus deiner Sicht jeder die Rolle des Product Owners besetzen? Wenn nein, warum nicht?

Nein. Viele Menschen legen sich ungern fest, treffen keine Entscheidungen oder stehen nicht zur selbigen. Für solche Menschen wäre der Job die Hölle. Außerdem braucht man etwas was in der Literatur mit „Product Passion“ beschrieben wird. D.h. Ideen wachsen in einem und die Gedanken machen auch am Wochenende keine Pause. Das muss man mögen.

Backlog Grooming ist ein essentieller Bestandteil von Scrum. Was sind deine Erfolgsfaktoren für die richtige Anwendung?

Es ist wichtig regelmäßig Backlog Items wegzuschmeißen, wenn man in absehbarer Zeit nicht dazu kommt. Es ist ganz normal, dass sich mit der Zeit ein „Bodensatz“ an Backlog Items sammelt. Es ist aber auch sehr befreiend, wieder eine überschaubare Anzahl an Backlog Items zu haben.

Was waren die größten Herausforderungen nach dem Wechsel zu Scrum und der Übernahme der Rolle als Product Owner?

Ich musste mich daran gewöhnen, dem Team nicht mehr aktiv Arbeitspakete zuzuweisen. Das hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich es im Griff hatte. Und anfangs war auch der gefühlte Verlust der Planbarkeit schwierig. Das hat sich aber schnell gelegt.

Erzähl doch bitte aus deiner Praxis – Wie gestaltet sich ein normaler Arbeitstag für dich?

Als Product Owner gibt es keinen „normalen“ Arbeitstag. Man muss immer ansprechbar sein, muss Ideen aufnehmen können, muss abwägen was genau heute erledigt werden muss. Und man darf nie das Ziel aus den Augen verlieren. Das bedeutet oft „Nein“ zu sagen oder clevere Alternativangebote für Endkunden und Stakeholder zu machen.

Was ist deine Empfehlung für diejenigen die mit dem Gedanken spielen die Rolle zu übernehmen bzw. die ihre ersten Schritte in der Rolle als Product Owner machen?

Wenn es Kollegen gibt, die aktiv die Rolle wahrnehmen, solltet man einen Kaffee mit ihnen trinken und sich erzählen lassen, was die Rolle im Unternehmen wirklich bedeutet. Danach ist es einfacher sich eine Meinung zu bilden. Gibt es niemanden, der diese Rolle schon ausfüllt, ist ein Griff zur Standardliteratur wie beispielsweise Roman Pichler, das Lesen von Blogs oder der Austausch in Onlineforen ein wertvolles Mittel.

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