Interview

Product Owner im Potrait – Interview Heike Funk

Wie in der vergangenen Woche angekündigt, starten wir in dieser Woche mit der Serie „Product Owner im Potrait“. Heike Funk wird heute über ihre Erfahrungen in der Rolle als Product Ownerin berichten. Lernen sie ihre persönlichen Erfolgsfaktoren innerhalb eines Scrum Teams, der Arbeit mit Kunden und Abstimmung mit Projektbeteiligten kennen. Erfahren sie, welche persönlichen und allgemeinen Herausforderungen dieser zentralen Scrum Rolle anhaften und welche Fehler auf keinen Fall gemacht werden sollten. 

Steckbrief

  • Name: Heike Funk
  • Alter: 31
  • Angestellt als: Director eRecruiting Products
  • Product Owner Rolle seit: April 2010
  • Berufserfahrung gesamt: 10 Jahre
  • Branche: Internet
  • Produkt Thema: Job-Portal

Was ist deines Erachtens das Schwierigste bei der Erfüllung der Product Owner Rolle?

Als Product Owner trägt man volle Verantwortung für sein Produkt. Alles, was man tut, ist darauf ausgerichtet, das Produkt erfolgreich zu machen. Hierfür benötigt man Input von vielen Stakeholdern – internen und externen. Am Wichtigsten sind natürlich die Kunden bzw. Nutzer des Produktes und diejenigen, die wir zu Nutzern machen wollen. Es gilt herauszufinden, was sie sich wünschen und das dann zusammen mit den Kenntnissen über den entsprechenden Markt in die Entwicklung des Produktes einfließen zu lassen. Aber auch diverse interne Stakeholder haben Input und Ideen für ein Produkt. Diese sollte man als Product Owner aufnehmen und neben eigenen Ideen bewerten, verwerfen oder berücksichtigen. Am Ende muss man selber entscheiden, was als nächstes umgesetzt wird und das dann auch vertreten. Für mich ist dies oftmals die größte Herausforderung. Man kann selten allen Leuten gerecht werden und es wird oftmals verlangt, dass man Entscheidungen ausgiebig rechtfertigt, noch bevor der Erfolg abgewartet wird.

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Fähigkeiten eines Product Owners?

Ein Product Owner muss eine starke Persönlichkeit sein, mit einer klaren Vorstellung, sprich Vision, von seinem Produkt, sehr guten kommunikativen Fähigkeiten. Darüber hinaus  sollte er in der Lage sein, Menschen zu begeistern und zu führen. Kommunikation ist das A und O. Zum Einen das Kommunizieren mit dem Entwicklungsteam, was auch ein grundlegendes technisches, fachliches oder inhaltliches Verständnis voraussetzt, um wirklich ernst genommen zu werden. Zum Anderen das Kommunizieren mit diversen anderen Abteilungen und insbesondere dem Management.

Außerdem ist Entrepreneurship, unternehmerisches Denken, sehr wichtig: immer die Strategie im Auge zu behalten, ein gutes Zahlenverständnis zur Analyse der Produktperformance gehören genauso dazu, wie Kenntnisse über Marketing– und Verkaufsmöglichkeiten. Außerdem gehört zum Know-how eines guten Product Owners, dass er sein Produkt in- und auswendig kennt, ein klares Verständnis von den Kundenbedürfnissen hat und den Markt und Wettbewerb nicht aus dem Auge verliert.

Zu guter Letzt ist eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Product Owners gutes Zeitmanagement – denn bei der Vielzahl von Aufgaben gilt es immer zu schauen, was wichtig bzw. dringend oder weniger wichtig ist und danach zu entscheiden, was man zuerst, zuletzt oder eventuell gar nicht macht.

Welche Softskills sollten bei einem Product Owner besonders ausgeprägt sein?

Neben der bereits genannten Kommunikationsstärke sind Teamfähigkeit, die Fähigkeit zu motivieren und zu präsentieren (das Produkt, die Ideen oder manchmal auch sich selbst äußerst wichtig, um als Product Owner erfolgreich sein zu können.

Welche Rolle spielt das Entwicklungsteam bei der Erfüllung deiner Aufgaben?

Als Product Owner bin ich absolut abhängig vom Entwicklungsteam, ohne das nicht ein Backlog-Item umgesetzt werden würde. Für mich ist das Entwicklungsteam aber weit mehr als nur die Kollegen und Kolleginnen, die „meine“ Anforderungen umsetzen. Sie sind Sparrings-Partner, Input-Geber und Kritiker. In der Zusammenarbeit mit dem Team werden die Features häufig noch besser, als wenn ich nur alleine konzipiere und an den Backlog-Items schreibe.

Wie grenzt sich deine Arbeit von der des Scrum Masters ab?

Während ich für ein Produkt und dessen Konzeption zuständig bin und das Entwicklerteam dadurch mit Arbeit versorge, ist es die Aufgabe des Scrum Masters sicherzustellen, dass alle Beteiligten arbeiten können und die geplanten Backlog-Items umgesetzt werden. Der Scrum Master unterstützt das Team und den Product Owner, „überwacht“ den Scrum Prozess, hilft bei der Organisation aller notwendigen Meetings und trägt dazu bei, dass das Team effektiver wird. Auch wenn der Scrum Master keine inhaltliche Verantwortung hat, finde ich es persönlich sehr wichtig, wenn sich auch der Scrum Master thematisch mit dem Produkt auskennt und sich einbringt, wenn es um das Produkt geht.

Wie organisierst du deine Arbeit, um die fortlaufende Erstellung von Backlog Items aufrecht erhalten zu können?

Um sicherzustellen, dass immer ein gefülltes Backlog vorhanden ist, blocke ich mir feste Zeiten im Kalender, in denen ich ausschließlich am Backlog arbeite. Terminanfragen in diesen Zeiträumen werden abgelehnt. Nur so ist es möglich, gut vorbereitet in die Sprint Planung zu gehen und zu gewährleisten, dass Ideen ausspezifiziert werden können.

Scrum stellt hohe Ansprüche an die Rolle des Product Owners. Sind diese deiner Meinung nach zu erfüllen bzw. wo liegen die Herausforderungen?

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man den Ansprüchen schon gerecht werden kann – vorausgesetzt alle anderen werden auch Ihren Aufgaben oder Rollen gerecht. Mit welcher Aufgabe ich mich allerdings immer schwer getan habe ist der Anspruch auf „Motivieren des Teams“. Generell bin ich der Meinung, dass ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl – also Product Owner, Scrum Master, Entwicklungsteam, welche gemeinsam ein tolles Produkt schaffen möchte – eine gute Basis für die Team-Motivation darstellt. Ich binde in meine Arbeit das gesamte Team sehr gerne ein, auch wenn am Ende die Verantwortung für das Produkt bei mir liegt. Gemeinsam kommen wir oftmals zu einer viel besseren Lösung oder einem viel cooleren Feature. Das motiviert das Team und macht für alle Beteiligten mehr Spaß. Allerdings gibt es hin und wieder auch Anforderungen mit denen nicht jeder aus dem Team einverstanden ist. Dies sollte dann von allen akzeptiert und getragen werden.

Welche Unterstützung hilft dir am meisten bei der Erledigung deiner Aufgaben?

Der Scrum Master ist eine sehr wertvolle Unterstützung – vorausgesetzt er ist engagiert und bringt sich auch voll mit ein. Auch die Unterstützung aus angeschlossenen Bereichen wie Marketing, Business Intelligence, Customer Care oder Controlling ist sehr nützlich. Als besonders hilfreich empfinde ich auch das Konzept des Dreiergespanns, welches aus Product Owner, Entwickler und Designer besteht. Zu Dritt sitzen wir oftmals über den Backlog Items und beraten über die Umsetzung. Durch diese enge Zusammenarbeit und das Vertrauen in die Kompetenz dieser Leute spare ich einiges an Zeit, die früher zum Beispiel für die Ausarbeitung erster Mockups investiert wurde.

Um Product Owner zu werden, lassen sich viele zertifizieren. Ist es deiner Meinung nach damit getan? Was hat dir geholfen, die Rolle auszufüllen?

Die Zertifizierungen sind ein gutes Instrument, stellen für mich aber nur so etwas wie eine Grundausbildung dar. Man lernt etwas über die Rolle und Scrum – allerdings doch sehr theoretisch. Am Ende muss sich jedes Team mit seinen Rollen finden. Das dauert etwas. Ganz wichtig ist hier Offenheit. Ich kann nur jedem Team empfehlen, die Retrospektiven zu nutzen um offen über die tagtäglichen Herausforderungen zu sprechen. Was sind die jeweiligen Vorstellungen, Anforderungen und Wünsche an die einzelnen Parteien sind, egal ob es hier um den Product Owner, die Entwickler, QA oder den Scrum Master geht. Mir hilft konstruktives Feedback immer sehr.

Du kennst die Praxis am Besten – Was sind die 3 schlimmsten Fehler, die man als Product Owner machen kann?

Einer der größten Fehler den man produktseitig machen kann ist, nicht auf den Nutzer zu hören und keine User Tests, Befragungen oder Evaluierungen zu machen. Daneben sind die folgenden drei Punkte essentiell für die erfolgreiche Zusammenarbeit und Produktentwicklung:

  1. Das Team nicht hören und involvieren. Und damit meine ich nicht, dass alles basisdemokratisch entschieden werden muss. Aber, wenn insbesondere die Entwickler das Gefühl haben, nur als sogenannte „Code-Monkeys“ benutzt zu werden, verlieren sie schnell die Motivation an der Arbeit. Und wenn die Chemie zwischen Entwicklungsteam und Product Owner nicht passt kann das Produkt meiner Meinung nach kaum gut werden.  
  2. Unvorbereitet ins Sprint Planning gehen ist für alle Zeitverschwendung und zeigt, dass der Product Owner seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.
  3. Technische Backlog-Items / Re-factorings zu ignorieren bzw. nicht als Bestandteil der Umsetzung von Anforderungen zu betrachten. Es nützen die coolsten Features nichts, wenn dir dein Produkt irgendwann aus technischen Gründen „um die Ohren fliegt.“

Kann aus deiner Sicht jeder die Rolle des Product Owners besetzen? Wenn nein, warum nicht?

Nein, ich denke nicht. Und das lässt sich durch die meines Erachtens notwendigen Fähigkeiten, die oben genannt wurden, erklären. Damit beziehe ich mich besonders auf die Soft Skills. Nicht jeder hat die Persönlichkeit für einen Product Owner. Vieles kann man sicherlich lernen und sich aneignen. Ein Product Owner muss wie ein Unternehmer mit voller Verantwortung für das eigene Produkt handeln. Und nicht jeder, dem das klar wird, ist dazu bereit, diese Verantwortung und die damit verbundenen vielfältigen Aufgaben zu übernehmen.

Backlog Grooming ist ein essentieller Bestandteil von Scrum. Was sind deine Erfolgsfaktoren für die richtige Anwendung?

Backlog Grooming setzt als Erstes voraus, dass man als Product Owner immer ein gefülltes Backlog hat – also vorausplant und weiß, was man in den nächsten Sprints gerne umgesetzt haben möchte. Das ist somit mein Erfolgsfaktor Nummer 1.

Ich gehe das Backlog bzw. zukünftig anstehende Backlog-Items sehr gerne regelmäßig mit dem Team durch. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen finde ich es wichtig, dass alle im Entwicklungsprozess Beteiligten wissen, was denn demnächst geplant ist. Zum anderen benötige ich manchmal schon in einem frühen Stadium der Erstellung von Backlog Items Input vom Team. Meiner Meinung nach ist ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor für erfolgreiches Backlog Grooming die Offenheit gegenüber alternativen Lösungsvorschlägen. Außerdem finde ich es sehr wichtig, dem Team Zeit zu geben, bestimmte, insbesondere technisch herausfordernde Backlog Items, im Voraus untereinander zu diskutieren.

Was waren die größten Herausforderungen nach dem Wechsel zu Scrum und der Übernahme der Rolle als Product Owner?

Da gab es auf ganz unterschiedlichen Ebenen Herausforderungen. In der operativen Arbeit z.B. war es eine riesen Umstellung, nicht mehr ein komplettes Konzept zu schreiben mit x-Seiten zur Beschreibung eines großen neuen Features, sondern die Anforderungen in Form von User Stories und Akzeptanzkriterien in Backlog-Items zu gießen. Auch die enge Zusammenarbeit zwischen Produktmanagern, Designern und Entwicklern war für viele eine Herausforderung. Auch wenn sich die Mehrheit über die kurzen und direkten Kommunikationswege gefreut hat, so stellte es doch für viele eine Veränderung der bisherigen Arbeitsweise dar. Auch ich brauchte einige Zeit, um mich an die enge Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam zu gewöhnen. Heute kann ich es mir aber gar nicht mehr anders vorstellen.

Auch nicht zu unterschätzen ist die plötzliche Verantwortung, die einem mit der Product Owner Rolle übertragen wurde. Während ich die Rechte aber auch die Pflichten eines Product Owners sehr genieße, gibt es viele, die aus Mangel an Fähigkeiten nicht in die Rolle hineinwachsen konnten.

Erzähl doch bitte aus deiner Praxis – Wie gestaltet sich ein normaler Arbeitstag für dich?

Mein Arbeitstag beginnt mit einer kurzen Planung des Tages. Ich verschaffe mir zuerst einen Überblick über die anstehenden Aufgaben und Meetings. Ein Tag könnte wie folgt aussehen:

  • KPIs überprüfen
  • Inbox bearbeiten
  • Stand-Up mit dem Team inkl. einem kurzen Update von meiner Seite
  • Garantiert 2- 3 Meetings, entweder mit Stakeholdern, dem Management, anderen Produktmanagern oder Business Partnern
  • Arbeit am Product Backlog
  • Wenn möglich, einen Kaffee oder Tee mit dem Team trinken oder gemeinsam Lunchen gehen
  • Abstimmung im Dreiergespann
  • User Research (und sei es auch nur, um einen Blick in unser Customer Feedback Tool zu werfen)

Was ist deine Empfehlung für diejenigen die mit dem Gedanken spielen die Rolle zu übernehmen bzw. die ihre ersten Schritte in der Rolle als Product Owner machen?

Auf jeden Fall einen Product Owner Kurs belegen – ob jetzt mit oder ohne Zertifizierung. Oder als Alternative zumindest mal etwas Literatur lesen. Ich kann die Bücher von Roman Pichler oder Boris Gloger empfehlen. Auch wenn die Realität später noch einmal anders aussieht, finde ich es sehr wichtig, die Grundlagen von Scrum zu kennen und ein gutes Rollenverständnis zu bekommen.

Einmal die Rolle übernommen, sollte eine der ersten Aufgaben sein, sich mit dem Team und dem Scrum Master zusammenzusetzen und die gegenseitigen Erwartungen und Anforderungen zu besprechen. Aus meiner Erfahrung hat jedes Scrum Team am Ende eigene Regeln. Das geht mit den Ansprüchen an ein Backlog-Item los und endet mit der Organisation des Task Boards. Reden, Reden, Reden ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Und je offener man sich als Product Owner zeigt, desto besser wird dann später die Zusammenarbeit funktionieren – und das ist schließlich die Voraussetzung, um gemeinsam ein gutes Produkt zu entwickeln.

Und was natürlich immer hilft, ist der Austausch mit anderen Product Ownern. Nichts ist so hilfreich wie Best Practices und das Lernen von anderen – denn das, was in den Büchern steht ist das eine, aber was wirklich zählt, ist die Praxis.

Graphic Resource: Background vector designed by Freepik

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