Laufen Sie immer im Uhrzeigersinn? Mir ist vor einigen Jahren aufgefallen, dass ich einige Dinge nicht so mache wie andere. Beim Joggen laufe ich zum Beispiel immer gegen den Uhrzeigersinn. Mein innerer Kompass bestimmt das eigenständig. Aus Gewohnheit. Letztens musste ich meine Route ändern und lief am Ende ein Teil der Strecke im Uhrzeigersinn. Mir wurde bewusst, wie bereichernd das war. Ich sah vieles zum ersten Mal und entdeckte die Laufstrecke aus einem ganz anderen Blickwinkel. Diese Erfahrung brachte mich auf die Idee zu diesem Artikel.
Im Arbeitsleben läuft vieles auch sprichwörtlich im Uhrzeigersinn. Häufig werde ich als Berater oder Coach dazu geholt, um die Richtung zu hinterfragen und neue Wege zu erarbeiten oder aufzuzeigen. Das ist gar keine so leichte Aufgabe. Ich zitiere oft folgendes Ergebnis einer medizinischen Studie: Schwerkranken Herzpatienten wurde gesagt, dass sie sehr wahrscheinlich bald sterben würden, wenn sie ihre Gewohnheiten nicht ändern, bspw. durch Sport, gesündere Ernährung oder Verzicht auf Alkohol. Lediglich einer von sieben Patienten schafft es wirklich, einen neuen Weg einzuschlagen.
Gewohnheiten sind für das Tier im Menschen überlebenswichtig. Immer wenn der Mensch eine positive neue Erfahrung machte und die Dinge funktionierten, blieb er dabei. Im Alltag sorgen Gewohnheiten dafür, dass wir eine immer komplexer werdende Welt ertragen können. Wir nehmen immer den gleichen Weg zur Arbeit, lesen während der Bahnfahrt die Nachrichten und holen uns bei unserem Lieblingsbäcker noch ein Franzbrötchen. Der Tag auf Arbeit läuft dann auch wie eine sich wiederholende Routine ab. Häufig sind es aber genau diese Routinen, die wir nicht hinterfragen. Im oberen Beispiel haben wir gesehen, dass schlechte Gewohnheiten uns nicht gut tun. „So haben wir/ich das schon immer gemacht.“ – diesen Satz höre ich nicht selten.
Gewohnheiten helfen unserem Gehirn die vielen hundert Fragen, die uns ständige durch den Kopf gehen, zu vereinfachen und Entscheidungen zu treffen. Je fester diese Gewohnheiten in den Alltag integriert sind, desto schwieriger ist es, sie aufzubrechen und zu verändern. Wir denken einfach nicht darüber nach und reflektieren nicht. In meinem Arbeitsalltag sehe ich Mitarbeiter und Manager oftmals in einer innerlichen Zwickmühle. Als Manager habe ich früher richtig gehandelt, wenn ich Autorität gezeigt, Entscheidungen getroffen und dafür mein tiefes Fachwissen angewandt habe. All das steht in der heutigen Arbeitswelt auf den Kopf. Ich bin Unterstützer, eher Mentor oder Coach meiner Mitarbeiter, die eigenständig Entscheidungen treffen und über das notwendige Wissen verfügen. Ich kann als Manager weiter meinem gewohnten Verhalten nachgehen oder anfangen zu handeln und zu prüfen, welche Gewohnheiten ich „in die neue Welt“ überführen kann. Es geht ja zum Glück nicht mehr ums Überleben, sondern lediglich um eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich.
Ich habe mir vorgenommen, auch weiterhin gegen den Strom zu schwimmen und es wie Bert Hellinger, Psychoanalytiker und Familientherapeut, zu halten:
„Umwege sind notwendig – du lernst dadurch die Landschaft kennen.“
Einmal im Quartal halte ich meine Leser*innen mit einer persönlichen Randnotiz zu agilen Themen auf dem Laufenden. Melde dich gerne einfach an.