Vor einiger Zeit begleitete ich ein Team, dass alleine nicht mehr in der Lage war, die alltäglichen Herausforderungen lösungsorientiert anzugehen. Ich fand jede Menge offene Konflikte und lose Enden, die es zusammenzuführen galt. Mitten in der Arbeit mit dem Team kam dann alles schlagartig anders. Es war März und die Pandemie schlug mit voller Wucht zu.
Für mich ist es nichts ungewöhnliches, Remote Coachings durchzuführen. Dieses mal war es jedoch anders, da alle mit der neuen Situation fertig werden mussten und der Fokus und die Umstände sich für jeden Einzelnen veränderten. Die Zeit, die wir uns gemeinsam vor Ort nahmen, musste nun online gestaltet werden. Für die Teammitglieder, die schon einige Schritte aufeinander zugegangen waren, fühlte es sich wie ein Rückschritt an.
Um diesem Gefühl etwas entgegenzusetzen und alle „näher zusammenzubringen“ fiel mir eine Intervention ein. Diese kostete zwar etwas Vorbereitung, aber hatte es sich. Vielleicht inspiriert dich die Idee, um sie in abgewandelter Form auch auszuprobieren?

Da ich allen einen Brief senden wollte, musste ich zuerst die aktuellen Anschrift aller Teammitglieder herausfinden. Versand an die Firma kam ja nicht in Frage. Zum Glück, waren alle bereit, mir diese zu übermitteln. Ich bereitete für alle ein Anschreiben vor, dass ein individuell auf die Person passendes Zitat beinhaltete, sowie eine Anleitung, was mit dem Inhalt des Briefes zu tun ist. Der Brief enthielt:
- das Anschreiben mit Erläuterungen zum Vorgehen,
- eine Postkarte für das Teammitglied mit einem handgeschriebenen individuellen Text von mir (hier auf dem Bild die weiße Spruchkarte),
- drei leere Postkarten mit motivierenden Sprüchen sowie
- entsprechendes Porto.
Folgendes Angebot enthielt das Anschreiben:
„… Wenn du magst, melde dich bei 2-3 deiner Teammitglieder mit einer kleinen Botschaft. Dir steht frei, wem du du eine Postkarte zusendest. Ich empfehle dir, jemanden auszuwählen, mit dem es in der Vergangenheit nicht so richtig rund lief. Vielleicht gibt es etwas Unausgesprochenes, du verbiegst dich oder spürst, dass dich etwas zurückhält. Nutze die Chance und kläre es jetzt. So gehst du vor:
- Wähle eine Karte aus, von der du glaubst, dass sie zu dieser Person passt oder zu dem passt, was du dieser Person mitteilen möchtest.
- Teile der Person zuerst mit, was du an der Zusammenarbeit mit ihr schätzt und danach,
- was du dir gerne von der Person wünschen bzw. was du gerne ausprobieren würdest, mit Hinblick auf ein engeres gemeinsames Miteinander.
Lasse diese Botschaft die Eröffnung für ein Gesprächs mit dem Teammitglied sein. Vielleicht könnt ihr ja demnächst mal miteinander telefonieren oder euch bei einem gemeinsamen Spaziergang aussprechen? …“
Ich wusste nicht genau, ob das, was ich mir da ausgedacht hatte, funktionieren würde. Ich war aber überzeugt davon, dass es zumindest ein (gedanklicher) Anstoss ist, auch wenn jemand das Angebot nicht in Anspruch nehmen würde.
Letztendlich waren jedoch alle bereit, die Einladung wahrzunehmen und viele bedankten sich im Nachhinein bei mir für diesen Anstoss, ins Gespräch zu gehen. Ab diesem Zeitpunkt begannen wir auch kollegiale Fallbereitung gezielter einzusetzen und wesentliche Aspekte der Zusammenarbeit unter die Lupe zu nehmen. Dann eben anders.
Graphic Resource: Typography vector created by freepik – www.freepik.com